von Markus Neufeld
Dezember 2018
Zum dritten Mal gastiert das Coburger Repair Café um Frank Eisenwiener in unserem Makerspace – allerhöchste Zeit für mich, einen Selbstversuch zu unternehmen und dem Repair Café einen Besuch abzustatten.
Das Corpus Delicti: die alte Nähmaschine meiner Mutter, die sie mir bei unserem letzten Heimatbesuch vermacht hat. Eine alte Pfaff E90 aus den 1960er Jahren. Das Kabel im Gaspedal sei irgendwie durchgeschmort, meinte sie. Inzwischen näht sie auf einer Aldi-Maschine, die alte Pfaff stand seitdem in der Ecke. Ich erinnere mich gut an das Surren, den typischen Maschinengeruch und die kleine Lampe der alten Pfaff. Als Kind habe ich manchmal meiner Mutter zugeschaut, wie sie unsere durchgewetzten Hosen geflickt hat …
Ich kann selbst (noch) nicht nähen, aber bevor die Maschine auf den Müll wandert, will ich es wenigstens mit dem Repair Café versuchen – und dann vielleicht selbst meine ersten Näh-Versuche unternehmen.
Unter den Reparierern sei ein Nähmaschinen-Experte, habe ich gehört, und setze meine Hoffnung in ihn. Vorher muss ich noch einen Haftungsausschluss unterschreiben. Das mache ich gern, schließlich habe ich bei der Nähmaschine nichts zu verlieren und die ‚Jungs‘ vom Repair Café arbeiten ehrenamtlich. Sie im Schadensfall zu verklagen, scheint mir absurd.
Die Nähmaschine wuchte ich sogleich auf den Tisch; zum Glück bin ich früh dran und die Nähmaschine ist sofort an der Reihe. Denn unser überschaubarer Workshopraum füllt sich schnell mit Kundschaft. Ein Flachbildfernseher, ein Staubsauger, eine Kaffeemaschine, ein Wasserkocher, ein Plattenspieler, ein CD-Player, ein Walkman – es sind vor allem Elektrogeräte, denen hier neues Leben eingehaucht wird.
Das Kabel meiner Nähmaschine wird zunächst einmal in die Steckdose gesteckt und schnell scheint klar: am Gaspedal liegt es nicht – da ist alles in Ordnung. Allerdings sitzt der Stecker nur locker in der Nähmaschine. Könnte daran liegen, dass das Pedal von einem anderen Hersteller ist …
Gekonnt öffnet ‚mein‘ Reparierer das Nähmaschinengehäuse und sofort weckt der Geruch des Motors Kindheitserinnerungen. Etwas zuviel Öl sei da im Spiel, lerne ich, und irgendetwas passe mit dem ‚Schwungrad‘ an der Seite nicht. Der Motor läuft einwandfrei, aber das Gaspedal arbeitet doch nicht so, wie es arbeiten soll. Der Fall ist also leider komplizierter als gedacht. Das Problem könnte ein kleiner Kegelstumpf („Motorreiberad“) sein, der das Schwungrad antreibt, aber nicht ganz rund läuft. Ein Ersatzteil dürfte allerdings schwer zu bekommen sein. Nach einer guten Dreiviertelstunde bin ich also auf dem Boden der Tatsachen gelandet. Eine einfache Reparatur wird das nicht, und ob sich das lohnt?
Diese Frage kann man sich oft stellen. Eine funktionstüchtige Maschine würde ich im Angebot beim Discounter für unter 100 Euro bekommen, aber mir ging es ja auch nicht in erster Linie um die Anschaffung einer Nähmaschine, sondern um den Versuch, die alte Pfaff wieder in Gang zu bringen. Vielleicht schaue ich mal nach einer gebrauchten, baugleichen Maschine im Internet, oder versuche zumindest ein kompatibleres Gaspedal aufzutreiben …
Mein erster Ausflug ins Repair Café endet also wenig erfolgreich.
März 2019
Während meine alte Nähmaschine unter meinem Schreibtisch ein Plätzchen gefunden hat und zwar täglich im Weg rumsteht aber mehr oder weniger abgehakt ist, passiert Unerwartetes. Ich bekomme eine Email von einem der Reperatur-Experten aus dem Repair Café:
„Erinnere ich mich richtig, daß es sich bei Ihrer Maschine um eine PFAFF 90 handelt? Ich hatte es mir nicht aufgeschrieben und meine gespeicherten Links weisen auf unterschiedliche Modelle. Falls es die PFAFF 90 ist, hier der Link zum entsprechenden Motor-Reibrad: …“
Zugegeben: sich nach drei Monaten an das Modell meiner Nähmaschine zu erinnern, finde ich schon bewundernswert. Dann aber auch noch zu wissen, welches Teil defekt war, ist halbwegs der Wahnsinn. Neue Hoffnung keimt auf. Ich bestelle mir das Ersatzteil umgehend und nehme mir vor, einen zweiten Repair-Versuch zu wagen.
Juni 2019
Wiederum drei Monate später ist es soweit. Endliche nehme ich mir mal wieder die Zeit und stehe mit meiner Pfaff 90 und meinem neuen Motor-Reibrad parat und unterschreibe brav den Haftungsausschluss.
Das Reiberad ist schnell ausgetauscht, die Maschine läuft wieder rund. Eigentlich. Denn beim Gaspedal passt doch noch etwas nicht. Ein anderer Reparateur hat einen Verdacht, der sich durch eine schnelle Messung mit dem Multimeter bestätigt: ein Kondensator ist defekt. Ersatzteil: Fehlanzeige. Gut, dass die Reperatur-Experten nichts wegwerfen und gerne auch einmal ausgediente Elektrogeräte ausschlachten. Und wie es der Zufall will, findet sich in ihrem Fundus auch noch ein entsprechendes Stück, das passt. Jetzt heißt es löten. Das habe ich zwar im Physikunterricht gelernt, aber das dürfte über 20 Jahre her sein. Aber ich bestehe darauf, selbst Hand anzulegen. Und tatsächlich klappt das noch fast wie geschmiert. Ich löte den alten Kondensator ab, versehe den neuen mit zwei Schrumpfschläuchen zwecks Isolierung und löte diesen dann wieder an die vorgesehene Stelle. Tadaa! Wir schließen das Gaspedal an und probieren es vorsichtig aus – und siehe da: das typische Surren ist wieder da. Die alte Pfaff 90 funktioniert wieder einwandfrei!
Mein ganz persönliches Fazit: es lohnt sich, einen Versuch zu unternehmen. Auch wenn es bei mir ein bisschen länger gedauert hat, aber das lag mehr an mir als an den Reparatur-Experten. Abgesehen davon, dass ich auch noch was dabei gelernt habe: es wäre mir schon schwergefallen, das Gerät zu entsorgen. Alternativ hätte ich es wohl dem Repair Café als Ersatzteillager zur Verfügung gestellt.
Nur was ich jetzt mit der guten Pfaff 90 mache, weiß ich noch nicht. In der Zwischenzeit habe ich nämlich eine voll funktionierende Pfaff Hobby 741 auf dem Sperrmüll gefunden und bin nun im Besitz von zwei funktionierenden Nähmaschinen …